Skip to content

Commentaries
German
Offenbarung
  
Wer wird schon ein Buch essen? (Offenbarung 10, 8-11)
8Und die Stimme, die ich vom Himmel gehört hatte, redete abermals mit mir und sprach: Geh hin, nimm das offene Büchlein aus der Hand des Engels, der auf dem Meer und auf der Erde steht!9Und ich ging hin zu dem Engel und sprach zu ihm: Gib mir das Büchlein! Und er sprach zu mir: Nimm und verschlinge es! Und es wird dir bitter im Magen sein, aber in deinem Mund wird es süß sein wie Honig.10Und ich nahm das Büchlein aus der Hand des Engels und verschlang es. Und es war süß in meinem Mund wie Honig und als ich es gegessen hatte, war es mir bitter im Magen.11Und mir wurde gesagt: Du musst abermals weissagen von Völkern und Nationen und Sprachen und vielen Königen.


Nicht der Engel, sondern die Stimme aus dem Himmel, die Johannes zuvor das Aufschreiben der Donnerbotschaften strikt verboten hatte, befahl ihm, auf den strahlenden Engel zuzugehen, der mit einem Fuß auf dem Meer und mit dem anderen auf dem Festland stand um von ihm das offene Buch in Empfang zu nehmen. Johannes sollte nicht nur passiv zuhören, sondern sich selbst dem blitzenden Engel nähern und ihn anreden. Das braucht Mut, Kraft, Glauben und Gehorsam. Der Engel antwortete ihm sofort und sagte: Nimm und verschling das Buch.
Manchmal denken wir, wenn wir etwas hören, wir hätten es schon verstanden. Von Maria aber heißt es, sie behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen (Lk. 2, 19). Zum Hören soll das Denken und Vergleichen kommen, das dem Zerkauen gleicht. Das Schlucken kann bedeuten, das Gehörte auf sich selbst zu beziehen, während das Verdauen beinhalten kann, dass die Magensäfte das Geschluckte auflösen und in Kraft und Energie verwandeln. Dabei zeigt sich, dass eine himmlische Speise schwer im Magen liegen und Schmerzen verursachen kann. Wir sollten das Gehörte nicht nur auswendig lernen und bewahren, sondern durchbeten, mit Gott im Zwiegespräch besprechen und wo möglich gläubige Freunde nach ihrer Meinung dazu fragen und uns von unseren Vätern und Müttern im Glauben und ihren Büchern beraten lassen.
Der Engel warnte Johannes vorbeugend, dass seine zuvor mitgeteilte Botschaft ihm gallebitter aufstoßen werde und ein anhaltendes Grimmen in seinem Unterbewusstsein verursache. Seine Siegesbotschaft werde ihn zuerst begeistern und ihm süß wie Honig im Mund und Gaumen schmecken, auf die Dauer aber verursache sie ihm Schmerzen, tiefes Mitleiden und anhaltende Traurigkeit. Die gehörte Freudenbotschaft von der Vollendung des Geheimnisses Gottes überschüttet den Patriarchen am Anfang mit Wonne, Glück und Trost! Die letzten Wehen der Endzeit würden jedoch viele Tränen aus ihm herauspressen. Seine anfängliche Freude werde zwar nicht aufhören, aber sie vermische sich mit herzlichem Erbarmen mit den verfolgten Brüdern und Schwestern und verwandle sich in bittere Traurigkeit über die wachsende Masse der von Dämonen getriebenen Gottlosen. Der Dichter Johann Lindemann hat versucht, diesen Zwiespalt in seinem Lied zu überwinden als er sang: In dir ist Freude, in allem Leide, oh du süßer Jesu Christ! (EKG. 288).
Das Lesen im Buch der Offenbarung erscheint manchen Interessierten spannend, gruselig oder entsetzlich zu sein. Die geoffenbarten Gerichtsschläge und kommenden Versuchungen verursachen jedoch in einem seelsorgerlich mitfühlenden Menschen tiefes Mitleid und stacheln sein fürbittendes Priesterherz zum Flehen um Rettung der Verlorenen in letzter Sekunde an. Kein Mensch kann die Tiefe und Höhe, die Last und die Wonne der Offenbarung ertragen, falls er begreift was er liest, es sei denn, der Tröstergeist stärke, ermutige, rechtfertige, treibe und segne ihn.
Der greise Patriarch bekam sowohl von der Stimme im Himmel als auch vom Engel des Herrn den Befehl weiter zu prophezeien, nicht nur für seine verlassenen und verfolgten Gemeinden in Vorderasien, sondern auch im Blick auf die Wege des Herrn in der Endzeit, mit vielen Völkern, Nationen, Sprachen und Stimmen. Johannes hatte der Stimme aus dem Himmel gehorcht, die ihm zunächst geboten hatte zu schweigen. Der Seher war im geringsten treu und gehorsam, deshalb konnte der Herr ihn über viel setzen (Lk. 16, 10; 19, 17). Sein Reden und Schreiben geschah nicht nach eigenem Gutdünken. Er folgte nicht seinen persönlichen Impulsen, er gehorchte einem göttlichen Muss. Er war in die trostlose Einsamkeit versetzt worden, um Millionen von hörenden Christen zu trösten, zu erleuchten und sie vor Verirrungen zu bewahren.
Die Stimme aus dem Himmel befahl Johannes über viele Könige zu prophezeien. Dieser Hinweis erhellt, dass das Blasen der siebten Posaune nicht sofort nach diesem Zwischengesicht ertönen wird und die Auflösung von Zeit und Raum noch auf sich warten lässt. Viele Könige in und um Jerusalem müssen noch auftreten, bevor die Bosheit ausreift und ausgerottet wird. Das Reich Gottes aber kommt unaufhaltsam näher und bricht durch.

Gebet
Vater im Himmel, wir danken dir, dass das Reich deines geliebten Sohnes mit jeder Sekunde näher rückt. Bereite unsere Herzen und Sinne auf sein Kommen und die folgende Zeitlosigkeit vor, dass wir in seinem Namen eingeschlossen bleiben. Wir bitten für alle Feinde des Gekreuzigten: Erweiche ihr verhärtetes Herz und gib ihnen Raum zur Buße und den Willen zum Glauben. Amen.