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Commentaries
German
Offenbarung
  
2. Der Aufruf zu vermehrtem Gotteslob (Offenbarung 19, 5-7)
19,5- Und eine Stimme ging aus von dem Thron: Lobt unsern Gott, alle seine Knechte und die ihn fürchten, klein und groß!6- Und ich hörte etwas wie eine Stimme einer großen Schar und wie eine Stimme großer Wasser und wie eine Stimme starker Donner, die sprachen: Halleluja! Denn der Herr, unser Gott, der Allmächtige, hat das Reich eingenommen!7a - Lasst uns freuen und fröhlich sein und ihm die Ehre geben (...).

Johannes hörte eine Stimme aus dem Throngebäude Gottes und seines Lammes. Einer der Thronwächter forderte die große Anbetungsgemeinde auf, das Gotteslob nicht mit dem Blick auf die Vernichtung der Hure Babylon abzubrechen, sondern zum eigentlichen Ziel dieser Anbetung vorzudringen. Unser Glaube hat nicht den großen Gerichtstag als Ziel der Menschheitsgeschichte vor Augen, sondern unsere ewige Gemeinschaft mit dem heiligen Gott und seinem Lamm in seinem geistlichen Reich voller Liebe und Heiligkeit.
Die Stimme aus dem Thron forderte alle “Knechte” des Herrn im Himmel und auf der Erde auf, unseren Gott zu loben (Offenbarung 19, 5). Diese Berufung scheint zunächst an die Glieder des Alten Bundes gerichtet zu sein (1. Chronik 16, 36; 23, 5; 2. Chronik 5, 13; Esra 3, 11). Die Glieder des Alten Bundes dienten Gott und fürchteten ihn (Psalm 134, 1; 135, 1; Offenbarung 11, 18). Dieser Ruf aus dem Thron redet nicht zuerst von unserer Liebe zu Gott, sondern von der Ehrfurcht und dem tiefen Respekt vor dem Schöpfer, Alleslenker und Richter der Menschen. Das Gotteslob und die Anbetung sollen nicht allein aus Begeisterung und Dank zu Gott aufsteigen, sondern auch aus einem heiligen Erschrecken vor seiner Hoheit, Allmacht und Herrlichkeit. Viele Christen stehen in Gefahr, mit Gott allzu vertraulich umzugehen, sprechen ihn oft leichtfertig als ihren Vater an und vergessen dabei, dass der Allmächtige heilig ist und keine Sünde tolerieren kann.
Alle Diener des Herrn im priesterlichen Amt, alle Großen in Regierung, Wirtschaft oder Wissenschaft, ebenso aber auch all die unbekannten Kleinen in jedem Bereich der Gesellschaft, alle sollen sich Zeit nehmen, Gott zu loben, ihn zu rühmen, zu ehren und anzubeten! „Gott loben, das ist unser Amt!“ Dabei ist bezeichnend, dass die Kleinen vor den Großen genannt werden. Die sogenannten “Kleinen” brauchen ihren Herrn und Heiland offensichtlicher als die meisten Reichen, Geehrten, Klugen und Schönen, die meinen, "etwas" zu sein! Nur wenige Große erkennen, dass auch sie Kleine sind, und erfahren die Vollmacht der Worte Jesu: "Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich!" (Matthäus 5, 3; Jesaja 57, 15) "Viele, die die Ersten sind, werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein!" (Matthäus 19, 30; Markus 10, 31; Lukas 13, 30; 20, 16). Trotz der bestehenden Unterschiede in Stand und geistlicher Reife werden alle aufgefordert, Gott gemeinsam zu loben.

Der allmächtige Schöpfer wird in diesem Aufruf zur Anbetung als "unser Gott" bezeichnet im Gegensatz zu allen anderen Göttern, Geistern, Cäsaren, Diktatoren und Religionen (Offenbarung 19, 5). Der HERR hat sich im Alten wie im Neuen Bund aus Gnade an uns gebunden. Nicht wir haben ihn erwählt, sondern er hat uns erwählt und uns zu seinem Volk gemacht (Johannes 15, 16). Wir waren kein Volk, schon gar kein geistliches, sind aber durch Jesus Christus sein Volk geworden (1. Petrus 2, 9-10).
Viele Juden haben diese Erweiterung des Gottesbegriffes nicht nachvollziehen können und bekennen selbstbewusst: "Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein!" (5. Mose 6, 4; Markus 12, 29) Viele Israeliten sehen Jahwe als ihren Nationalgott an. Kein Unbeschnittener und kein fremder Beschnittener (wie ein Muslim) habe das Recht, den Herrn ihres Volkes auch seinen Gott zu nennen. Jesus erweiterte jedoch dieses Verständnis und Vermächtnis des Alten Bundes und zog alle, die aus den unreinen Völkern an ihn glauben, in seinen Neuen Bund hinein (Matthäus 21, 33-46; Johannes 10, 16). Seither leben wir in der Spannung, dass die Juden zwar berufen sind, Gottes Volk zu sein, sich jedoch von ihm scheiden, weil sie ihren König Jesus verwerfen. Der HERR bleibt ihr Gott, aber die Mehrheit von ihnen will vom Vater, vom Sohn und vom Heiligen Geist nichts wissen und verhärtet sich gegen das Evangelium.
Der Thronwächter forderte trotzdem jedermann in Zeit und Ewigkeit auf, den einen, wahren Gott zu loben und zu glauben, dass er sich in Christus an uns Sterbliche gebunden hat, so dass wir mit Fug und Recht sagen können: Du bist unser Gott, unsere Kraft und unser Leben, durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn (Römer 5, 16; 8, 32-39).
Die Knechte des Herrn und die Kinder Gottes, die sich wie Paulus freiwillig zu Sklaven seiner Liebe gemacht hatten (Römer 1, 1), ließen nicht auf sich warten und stimmten in vielen Chören und Gruppen den zweiten Teil des großen Hallelujas im Himmel an. Das Volumen ihrer Stimmen war so groß, dass Johannes sie mit vielen rauschenden Wassern verglich, und als die Stimmen weiter anschwollen schließlich gar mit krachendem Donner (Offenbarung 19, 6a). Wer einmal bei einer Aufführung des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach im Chor neben den Musikinstrumenten stand und mitgesungen hat, kann die Beschreibung des Gotteslobes bei Johannes ansatzweise nachvollziehen.
Alle Erlösten jubelten in vielen Sprachen dasselbe Wort: Halleluja! Dieser gejauchzte Freudentriller tönte aus der gewaltigen Fülle der Stimmen heraus. Gepriesen sei der HERR! Gelobt sei unser Gott! Erhaben ist unser Schöpfer, Retter und Tröster! Ein Band des Lobpreises vereint alle Anbeter im Himmel und auf der Erde.
Am deutlichsten drang aus allen Gesängen und Jubelrufen das Thema des Tages hindurch: "Der HERR, unser Gott, hat sein Königreich angetreten!" (Offenbarung 19, 6b). Er hat seine Macht in Dienst gestellt! Seine große Geduld ist zu Ende. Er regiert, siegt, bestimmt, handelt und setzt sein Heil und sein Reich durch!
Bisher hatte es so ausgesehen, als ob Gott die Menschheit nur leicht strafe und die Völker nur ein wenig erschüttere. Das ist jetzt vorbei. Jetzt wird regiert und gesiegt! Niemand und nichts kann der Allmacht unseres Gottes und seines Lammes widerstehen. Der Sohn des Bösen und sein Gefolge werden ausgerottet. Die Hure Babylon ist bereits vernichtet. Die Finsternis weicht. Das Reich Gottes kommt und verwirklicht sich in aller Fülle und Tiefe. Solche Reichsproklamationen hatten im Glauben bereits früher schon stattgefunden. Nun aber war eine neue Stufe ihrer Verwirklichung erreicht worden (Offenbarung 11, 15.17; 12, 10). Deshalb schwoll der Jubel im Himmel an wie bei der Ankunft eines Bräutigams, der kommt, um seine wartende Braut abzuholen.

Die Chöre im Himmel ermutigten sich gegenseitig: "Lasset uns freuen und fröhlich sein und ihm die Herrlichkeit geben!" (Offenbarung 19, 7a) Ach, dass doch die Christen kein sauertöpfisches, pessimistisches Gesicht machten, als ob sie Spinnen essen müssten! Wir haben viel Grund zur Freude: Unser Gott lebt, liebt, regiert, kommt, handelt, rettet, heiligt und segnet. Er spricht mitten in unsere Probleme hinein: "Seid nicht bekümmert; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke!" (Nehemia 8, 10). Der Engel verkündigte bei der Geburt Jesu: "Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird!" (Lukas 2, 10) Jesus erklärte seinen Jüngern, er wolle, dass seine Freude in ihnen bleibe und ihre Freude vollkommen werde (Johannes 15, 11). "Eure Freude soll niemand von euch nehmen" (Johannes 16, 22), versprach er ihnen bei seinem Abschied. Und in seinem hohepriesterlichen Gebet erbat Jesus von seinem Vater im Himmel, dass seine eigene Freude in uns vollkommen werde (Johannes 17, 13).
Diese trostvollen Worte bewahrheiten sich auch in den Leiden der Endzeit. Das Leid und die Trauer, die Folter und der Tod werden die Stimme des Tröstergeistes in uns nicht dämpfen können. Aus eigener Erfahrung bezeugen die Dichter der Lieder "Jesu, meine Freude" (Johann Franck, EKG 396) und "In dir ist Freude in allem Leide" (Cyriakus Schneegass, EKG 398) das Geheimnis und die Kraft der Freude Christi. Das Wohlgefallen seines Vaters liegt auf jedem, der an die Legalität des Sühneopfers Christi glaubt (Lukas 2, 14). Er litt, damit seine Freude in uns vollkommen werde (2. Korinther 5, 19-21).
Ziel der Freude, welche Jesus verheißt, ist nicht allein das Hochgefühl unserer eigenen Seele, sondern der HERR. Gott soll mit großer Freude sehen, wie sich die Ziele seines Heilsplanes realisieren. Wir sollten uns deshalb immer wieder fragen: Erfreuen wir den Herrn mit unseren Worten, unseren Taten und unseren Absichten? Unser Herz erkennt oft deutlich, wo wir gegen den Willen und den Geist unseres Vaters im Himmel und gegen die Liebe seines Sohnes handeln. In diesem Fall sollten wir ihn blitzschnell um die Gnade und die Kraft bitten, unsere bösen Absichten, verletzenden Worte und antichristlichen Taten zu stoppen, ehrlich Buße zu tun, nach den Wegen und dem Willen des HERRN zu fragen und sie auch zu tun. Dann betrüben wir den Geist Gottes nicht, sondern bleiben in seiner Freude!

Die Sänger im Himmel forderten sich gegenseitig auf (Offenbarung 19, 7a): Lasst uns alle unsere Ehre und Kräfte Gott zurückgeben! Er hat alle unsere Schuld auf sich genommen, nun wollen wir auch alle unsere Hoffnungen, alle Früchte des Geistes, all unser Geld, alle Begabung und unsere Kinder, alles, was wir sind und haben, Gott zur Verfügung stellen. Dies sollte nicht nur ein frommer Wunsch bleiben, sondern real geschehen! Gott eignet alle Herrlichkeit. Es fließt nichts wieder zu ihm zurück, was er uns nicht zuvor gegeben hätte. Wir wollen uns an nichts festkrallen und ihm alles übergeben. Die wahre Liebe will nichts für sich behalten. Zwischen Gott und seinen Kindern ist ein ständiges "Geben und Nehmen", so wie der Dichter Krummacher anbetend feststellte: "Nichts hab ich zu bringen, alles, HERR, bist du!" (EKG 407) Überlege betend: Wie könntest du die Herrlichkeit Gottes ehren? Was könntest du ihm schenken, für ihn tun oder an seiner Stelle erleiden? Der HERR ist zwar herrlich auch ohne uns, aber er erlaubt uns, seine Herrlichkeit mit den Opfern unserer Lippen und unseres Lebens zu vermehren. Die Verherrlichung Gottes fängt bei uns ganz praktisch an. Wo in einer Gemeinschaft alle Glieder so denken, weht Himmelsluft bereits auf Erden.
Zwölfmal lesen wir im Buch der Offenbarung, dass Gott und seinem Lamm alle Herrlichkeit gebührt (Offenbarung 1, 6; 4, 9.11; 5, 12-13; 7, 12; 11, 13; 14, 7; 16, 9; 19, 1.7; 21, 26). Luther übersetzte das griechische Wort "doxa", das eigentlich “Herrlichkeit, Glanz, Majestät” heisst, mit “Ehre”. Vermutlich war er überzeugt, dass der HERR in sich selbst vollkommen herrlich ist und wir als die Staubgeborenen seine Herrlichkeit nicht vermehren, sondern ihn nur ehren können. Trotzdem ermutigt uns das Wort Gottes immer wieder, alle unsere Begabungen wie unsere Sünden Gott zu geben, damit er aus unserer Unvollkommenheit und Ausweglosigkeit Herrlichkeit machen kann, Herrlichkeit für sich und Herrlichkeit für uns, die Begnadigten. Lasst uns also “unsere” vermeintliche Ehre Gott und seinem Lamm übergeben und ihn flehentlich bitten, dass sein Heiliger Geist uns das Loben und Danken, seine Verherrlichung und seine Anbetung lehre. Dann singen wir mit den Sängern im himmlischen Chor:

Auf, auf, mein Herz, mit Freuden
nimm wahr, was heut geschicht;
wie kommt nach großem Leiden
nun ein so großes Licht!

(Paul Gerhardt, EKG 112)