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Commentaries
German
Offenbarung
  
Teil II: Das tausendjährige Reich (Offenbarung 20,1-10)
20,1Und ich sah einen Engel vom Himmel herabfahren, der hatte den Schlüssel zum Abgrund und eine große Kette in seiner Hand.2Und er ergriff den Drachen, die alte Schlange, das ist der Teufel und der Satan, und fesselte ihn für tausend Jahre,3und warf ihn in den Abgrund und verschloss ihn und setzte ein Siegel oben darauf, damit er die Völker nicht mehr verführen sollte, bis vollendet würden die tausend Jahre. Danach muss er losgelassen werden eine kleine Zeit.4Und ich sah Throne, und sie setzten sich darauf, und ihnen wurde das Gericht übergeben. Und ich sah die Seelen derer, die enthauptet waren um des Zeugnisses von Jesus und um des Wortes Gottes willen, und die nicht angebetet hatten das Tier und sein Bild und die sein Zeichen nicht angenommen hatten an ihre Stirn und auf ihre Hand; diese wurden lebendig und regierten mit Christus tausend Jahre.

Der eigenartige Begriff der „Tausend Jahre“ kommt in der Offenbarung (und nur dort) in sechs aufeinander folgenden Versen vor, dreimal unbestimmt, ohne Artikel (Offenbarung 20,2.4.6), und dreimal mit Artikel (Offenbarung 20,3.5.7). Im orientalischen Sprachbereich beschreiben diese Angaben keine konkrete Zahl, sondern sind ein Sammelbegriff für eine nicht näher bestimmte große Zahl wie in „Tausendundeiner Nacht“ oder in der Aussage eines Dämons vor seiner Austreibung durch Jesus: „Wir sind Legion (=Tausend)“ (Markus 5,9.15; Lukas 8,30). Die Unbestimmtheit dieser Zahl wird auch an der Aussage deutlich, dass Gott „tausend Jahre wie ein Tag“ erscheinen (Psalm 90,4; 2. Petrus 3,8).
Wenige Texte der Bibel haben so viele emotionale Spekulationen, geistliche Erwartungen und heftige Widersprüche hervorgerufen wie diese sechs Verse (Offenbarung 20,2-7). Die Confessio Augustana, eine Bekenntnisschrift der evangelischen Kirchen in Deutschland aus dem Jahre 1530 n. Chr., lehnte in Paragraph 17 die Lehre vom Tausendjährigen Reich als „jüdisch“ ab. Das herzogliche Pietistenedikt von 1694 dagegen erlaubte in Württemberg eine „gemäßigte Anschauung“ vom Tausendjährigen Reich.
Wer die biblischen Hintergründe des Glaubens an das Tausendjährige Reich verstehen will, sollte zuerst die Endzeit-Verheißungen in den Schriften des Alten Testaments lesen, in denen das Reich des Messias auf dieser Erde definitiv verheißen wird.
Wer sich im Wartesaal des Flugplatzes in Tel Aviv umschaut, findet einen Kiosk mit Schriften und Büchern orthodoxer Juden, in denen mit begeisterten Worten die Messias-Verheißungen des Alten Testaments als sich gegenwärtig erfüllende Ereignisse dargestellt werden. Die Frage nach dem Inhalt und der Realisierung dieser Endzeit-Verheißungen der alttestamentlichen Propheten ist in erster Linie kein christliches Thema, sondern unauflöslich mit Israel verbunden.


Angesichts dieser daseinsverändernden Verheißungen zum Kommen des Messias ist verständlich, dass diese Texte kontrovers ausgelegt werden:
Arabische Christen beteuern, dass alle Verheißungen zur Rückführung der verschleppten Juden mit ihrer Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft schon längst abgeschlossen worden seien.
Kibbuzbewohner beteuern, dass die Wüste nicht ohne ihren Schweiß und Fleiß blühe.
Der katholische Bischof Augustin soll gesagt haben, dass diese Verheißungen im Alten Testament geistlich zu verstehen seien, da mit der Ausgießung des Heiligen Geistes das Reich Gottes in der Kirche begonnen habe.
Im Gegensatz dazu träumen manche Phantasten von haushohen Weizenhalmen mit sieben Ähren, von Riesentrauben an den Reben und Zuständen wie im Schlaraffenland im Zeitalter des Messias.
Der Patriarch Johannes in seiner Verbannung auf der öden Insel Patmos würdigt im Buch der Offenbarung alle diese Verheißungen und Spekulationen zum Tausendjährigen Reich mit keinem einzigen Wort! Er setzt jedoch die Kenntnis dieser mehr als hundert Textblöcke im Alten Testament bei den jüdischen Lesern seines Buches als selbstverständlich voraus. Vielleicht wollte er auch die Gemeindeglieder aus dem griechischen Hellenismus nicht brüskieren, da die Mehrheit dieser Verheißungen dem Volk des Alten Bundes gilt!
Es ist gewagt und beinahe spekulativ zu versuchen, diese Verheißungen der Propheten zum Messiasreich auf der Erde in die Verse der Offenbarung hineinzupressen. Wir wollen uns deshalb auf den Text der Offenbarung beschränken und von den Verheißungen des Alten Testaments nur dann Gebrauch machen, wo der Text dies nahe legt.

Die sechs Verse der Offenbarung, die von den tausend Jahren berichten (Offenbarung 20, 1-6), skizzieren erstaunlicherweise nur zwei Hauptthemen, und diese nur mit wenigen Strichen auf einem undefinierten Hintergrund . Alles andere scheint Johannes nicht erwähnenswert zu sein.
1. Johannes berichtet von der Bindung Satans, damit er die Völker nicht mehr verführen könne. Nach tausend Jahren müsse er dann wieder auf die von seinen Versuchungen bewahrten Völker losgelassen werden, um danach endgültig vernichtet zu werden.
2. Die Auferstehung der Seelen der Märtyrer aus der Verfolgungszeit des Antichristen scheint für Johannes das wichtigste Ereignis des Tausendjährigen Reichs zu sein. Er beschreibt, wie die geistleiblichen Heiligen sich auf Throne setzen, um mit Christus tausend Jahre lang als Priesterkönige die Völker zu regieren.

Wer sich betend in das Leben Jesu vertieft, erkennt verschiedene Abschnitte in dessen Kampf gegen Satan, den Feind Gottes:

Die Offenbarung Christi an Johannes deutet an, dass weder ein starker Erzengel noch Gottes Lamm selbst erscheinen wird, um Satan, die verfluchte Schlange (1. Mose 3,14), festzunehmen, zu fesseln und einzukerkern. Nein, irgendein Engel ohne besondere Eigenschaften wird vom König aller Könige beauftragt - vielleicht durch ein Zeichen seines kleinen Fingers (Lukas 11,20) -, den kraft- und hoffnungslosen Starken zu packen, mit einer schweren Kette zu umwickeln und in einem speziell für ihn bereitgestellten Abgrund einzukerkern. Dabei ist nicht an die Hölle selbst zu denken und auch nicht an das Reich des Todes, sondern an eine Einzelhaft in einem finsteren Verließ. Obendrauf bringt der Engel das Siegel des Lammes Gottes an. Damit wird der Feind Gottes, der Durcheinanderbringer, der Urböse, für tausend Jahre aus der Weltpolitik und der Heilsgeschichte ausgeschaltet.
Dieser Bericht über einen himmlischen Strafvollzug erinnert uns daran, dass das Binden Satans im Namen Jesu Christi ein Teil der Schlüsselgewalt der von ihm beauftragten Diener ist (Matthäus 16,19; 18,18; Johannes 20,22-23). Kein Papst und kein Bischof, kein Pfarrer und kein Gemeindeältester kann diese Handlung nach eigenem Gutdünken vollziehen. Wo aber das Evangelium und die Werke Christi unverkürzt und ohne Abstriche verkündigt werden (Offenbarung 2,24-29), löst der Heilige Geist bußfertige Gläubige durch die Worte der Knechte Jesu von ihren Sünden und Bindungen. Dasselbe Wort bindet jedoch gleichzeitig ungehorsame Verstockte. Bisweilen sind es kleine, unscheinbare Heilige, die Satan und seinen Geistern im Namen Christi befehlen, zu verstummen und zu weichen. Wir sollten Buße tun und von dem geistgeleiteten
Recht zu binden und zu lösen Gebrauch machen, um in Jesu Namen die Herrschaft des Bösen einzudämmen. Wer allerdings nicht vom auferstandenen Herrn einen Auftrag zu diesem Dienst bekommen hat, sollte seine Finger davon lassen, damit er keinen Schaden an Leib, Seele und Geist nimmt.

In den Versen über das Tausendjährige Reich stellt Johannes dreimal heraus (Offenbarung 20,2-3 und 7-8), dass in diesem langen Zeitraum Satan, der Versucher und Verführer der Menschen und der Engel, keinen Einfluss mehr auf den nach den Gerichten Gottes übriggebliebenen Rest der Völker besitzen wird. Vielmehr bietet die Herrschaft Christi durch den Heiligern Geist in seinen Bevollmächtigen der egoistischen Menschheit eine weitere Chance zu freiwilliger Umkehr und gründlicher Buße an.
Danach muss jedoch sichtbar werden, was in den Menschen steckt: ein guter oder ein böser Wille, triebhafte Lust oder Selbstkontrolle, grenzenloser Hochmut oder Verwirklichung der Demut Christi. Die unreinen Völker sollen Gott nicht anklagen können, sie hätten wegen der List und Übermacht Satans keinen freien Willen besessen und seien darum nicht selbst verantwortlich für ihr Denken und Handeln. In diesem Sinn kann das Tausendjährige Zwischenreich auf Erden als eine Gnadengabe der Geduld Gottes zur Aufdeckung der Bosheit des menschlichen Herzens und seines aufrührerischen Hochmutes verstanden werden. Um der Gerechtigkeit Gottes willen ist das Reich der tausend Jahre ein unerlässlicher und notwendiger Abschnitt im Heilsplan Gottes und seines Lammes.
Nach diesen tausend Jahren Gnadenzeit muss jedoch Satan noch einmal losgelassen werden, um den Massen zu beweisen, dass sie nach wie vor böse von Jugend auf sind (1. Mose 6,5; 8,21; Psalm 14,3; Römer 3,10-12). Alle werden erkennen, dass kein Einzelner und kein Volk, auch Israel nicht, gerecht werden kann ohne Gottes Lamm und sein vergossenes Sühneblut. Der Aufruhr gegen Gott und seinen Gesalbten aber wird nach der Friedenszeit schneller und radikaler erfolgen als zuvor, da Satan tausend Jahre Zeit hatte um zu planen, wie er am effektivsten die Völker der Erde gegen ihren Schöpfer aufwiegeln könne. Und tatsächlich, die Irdischen werden nochmals auf den Vater der Lüge hereinfallen und sich aufs Neue von seinem unzufriedenen Geist treiben lassen, falls sie sich nicht rechtzeitig dem Geist des Lammes Gottes geöffnet haben und aktive Glieder an seinem geistlichen Leib geworden sind.

Als nächstes erkannte Johannes eine Anzahl Throne, auf denen keine normalen, irdischen Menschen und auch keine himmlischen Engel saßen, sondern „Seelen“, die als Märtyrer wegen ihrer Treue zu Gott und Jesus getötet worden waren. Der Begriff „Seele“ bedeutet im Nahen Osten unter anderem das Selbst eines Menschen, sein Wesen und seine Person. Bei diesem Wort wird nicht zuerst im Sinne der griechischen Philosophie an die Psyche eines Menschen gedacht, die sich beim Sterben vom Leib löse und in das Reich der Ideen zurückkehre. Laut orientalischem Verständnis wartet vielmehr die Seele als das Selbst eines Menschen nach dem Tod im Totenreich auf ihre Auferstehung und das Jüngste Gericht.
Johannes hatte einen geistlichen Blick für die Seelen Verstorbener. Und so hörte er in seinen Visionen verschiedene Details über die Herkunft der Seelen, die auf den Thronen saßen:

Die Mehrheit der inthronisierten Seelen wird zu einer dieser drei Kategorien von Märtyrern gehören.